Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin
Newsletter vom 21.01.2021

Wie soll sie heißen? Wie Geschichten ihren Titel finden

Liebe Schreibfreundinnen und Schreibfreunde,

gerade hat das neue Jahr erst angefangen und es ist auch noch ein besonderes, auf dem viele Hoffnungen liegen. Ich wünsche dir, dass es ein gutes Jahr für dich wird und du das Beste aus dem machen kannst, was gerade ist.

Vielleicht hat 2020 von dir im Rückblick auch eine Art Titel oder ein Motto bekommen. Um das zusammenzufassen, was dir wichtig war oder was du erlebt hast. Wie Geschichten zu Titeln kommen können, darum geht es in diesem Newsletter. Lass dich inspirieren, egal ob du gerade auf der Suche nach einem Titel für eine Geschichte bist oder einfach nur, um mal genauer auf die „Überschrift“ zu achten bei den Büchern oder Geschichten, die du zurzeit liest.

3 Wege, wie Geschichten ihre Titel finden:

  1. Wie heißen andere?
    Ein uralter Trick, der nach „abgucken“ klingt und genau das auch ist – und dabei sehr sinnvoll. Man kann es natürlich einfach auch nennen: sich von der Mach-Art anderer Titel inspirieren lassen. 

    Ein Schreibprojekt, das ich selbst gerade zu Ende führe, sind 24 Dezembergeschichten. Sie haben natürlich auch alle einen Titel gebraucht. Beim „mich von anderen inspirieren lassen“, würde ich also in meinem Buchregal nach Titeln anderer Adventsgeschichten Ausschau halten. Da gibt es zum Beispiel „Die Geschichte vom Lamettabaum“ und „Als Weihnachten ausfiel“, beides Geschichten von Margret Rettich.  Schon diese kleine Auswahl kann mich inspirieren – ob ich auch einen Anfang wähle wie „Die Geschichte von …“ oder im Titel eher das Überraschende meiner Geschichte betone wie bei „Als Weihnachten ausfiel“.

    Das Entscheidende bei dieser Methode ist, dass das „Abgucken“ oft nur den Anfang macht und danach schnell eine lange Liste mit weiteren Möglichkeiten entstehen kann.  
  2. Der eine Satz – oder: das Extrakt der Geschichte
    Für die zweite Methode bleibe ich gleich beim Buchregal stehen. Eines meiner Lieblingsbücher im letzten Jahr war der Roman „Da sind wir“ (oder im Original: „Here we are“) von Graham Swift. Der Roman beginnt im England der 40iger Jahre und handelt von einem Jungen, der Zauberer wird. An Graham Swift beeindruckt mich immer wieder, wie er eine ungeheure Spannung um einen einzigen Moment herum aufbaut, sodass dieser eine Augenblick quasi den ganzen Roman erzählt. Der Titel „Here we are“ wiederum bezieht sich auf einen Satz, den der aus den Londoner Bombennächten aufs Land verschickte Junge häufig von seiner ihm zugeneigten Pflegemutter zu hören bekommt.

    Bei dieser Titel-Methode gehst du also deine Geschichte durch und streichst Wörter oder Sätze an, die du entweder häufig verwandt hast oder die dir inhaltlich oder von der Stimmung her besonders wichtig erscheinen. Und dann schaust du, was davon sich zum Titel eignet. 
  3. Von ganz groß bis sehr konkret
    Auch diese Methode hat ihre Verwandtschaft mit den bisher genannten. Nur dass du hier nicht nach Worten oder Sätzen Ausschau hältst, sondern nach den Figuren, Schauplätzen oder Ereignissen deiner Geschichte, um damit für den Titel „zu spielen“. Dabei kannst du ein bisschen mehr in der Weitsicht bleiben oder näher herangehen und Ort, Zeitpunkt oder Figuren deiner Geschichte ganz konkret benennen.

    Eher verallgemeinernd fasst Max Frisch das zum Beispiel im Titel seiner Kurzgeschichte „Das Kaffeehaus“ oder Alice Munroe in „Hochzeit“. Ganz konkret wird es bei Edgar Allan Poe mit dem Titel „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ oder bei T.C. Boyles „Die unglückliche Mutter von Aquiles Maldonado“.

Sollte mit diesen Methoden wie so oft beim kreativen Schreiben der perfekte Titel einfach irgendwann da sein, ohne dass er genau einer von ihnen zuzuordnen ist, dann ist das durchaus gewünscht. Denn oft geht es eher um die Beschäftigung mit dem Stoff und gar nicht um die eine „richtige“ Methode.  

Für dieses besondere Jahr wünsche ich dir das Allerbeste, dass sich bald die Wogen glätten und du dorthin segeln kannst, wo du hinmöchtest. Egal ob im wörtlichen oder übertragenen Sinne.

Herzliche Grüße

Sigrid

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