Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin
Newsletter vom 21.06.2023

Slow Writing – Zeit für die Schreibmuße

Hallo Schreibfreudige,

schneller, höher, weiter – damit setzen wir uns manchmal auch bei unserem Schreiben unter Druck.

Wie wäre es da mal mit einer Gegen-Bewegung? Und die heißt: Langsam schreiben. Den Schreibprozess an sich genießen. Sich Zeit nehmen, etwas wachsen zu lassen. Auf das hören und schauen und dem nachspüren, was zwischen den Zeilen entstehen mag.

Am intensivsten lässt sich das Slow Writing beim Schreiben mit der Hand erfahren. Weil Buchstaben, Wörter und Sätze dann Bogen für Bogen und Linie für Linie aufs Papier fließen. Weil wir sehen und spüren können, wie die Zeichen und die Gedanken sich langsam und stetig verbinden.  

3 Anregungen, um das Schreiben selbst zu genießen:  

1. Im Schreiben schwelgen

Das ist das Besondere am Slow Writing: Es nimmt sich Zeit für jedes Zeichen.

Und das geht auch beim Tagebuchschreiben oder den Morgenseiten: Lass nicht nur die Wörter fließen, sondern achte auf jeden Buchstaben, jeden Bogen, jede Linie. Vielleicht möchte etwas größer, kleiner, länger, runder werden als sonst – gib ihm diesen Raum.

Ich selbst schreibe übrigens ab und zu auch wieder in einer meiner ganz frühen Kinderhandschriften. Was mich dabei verblüfft hat: Es sieht dann nicht nur anders aus, was ich schreibe, sondern mir kommen auch andere Gedanken und Erinnerungen in den Sinn.

Außerdem schreibe ich in meinen Morgenseiten inzwischen nur noch in jeder zweiten Zeile, um mir mehr Raum zu lassen. Auch das ist eine Erfahrung aus meinem Slow Writing.

2. Wachsen lassen

Wort folgt auf Wort und Gedanke auf Gedanken. Beim Slow Writing lässt sich zuschauen, wie die Gedanken aufs Papier kommen.

Ein Schreib-Impuls, der aus meiner Sicht da besonders gut passt: Immer wieder mit denselben Anfangsworten zu beginnen und zu schauen, wie daraus immer wieder Neues entsteht. Zum Beispiel mit „An diesem Morgen …“ oder „Ich erinnere mich an …“ oder einem Satzanfang ganz deiner Wahl.

Langsam und stetig entsteht dann eine kürzere oder längere Liste mit Sätzen rund um Ihren Satzanfang. Und wer weiß – vielleicht inspiriert dich einer oder mehrere davon auch dazu, weiter zu schreiben.

3. Abschreiben? Gern!

Nicht so gut angesehen in der Schule – das „Abschreiben“? Als Kulturtechnik ist es herausragend. Denn abschreiben heißt mehr als hinterher die Kopie eines Textes zu haben. Während des Hinschauens, Lesens und Schreibens können wir das, was wir abschreiben, verstehen und verinnerlichen – und dadurch auch zu neuen Gedanken und Ideen kommen.

Beim langsamen Abschreiben gilt das noch einmal besonders. Der Impuls dazu: Nimm dir zum Beispiel ein Lieblingsgedicht zur Hand. Lass dir beim Abschreiben Zeit, bei einzelnen Wörtern oder auch Buchstaben zu verweilen. Vielleicht gestaltest du deinen Text auch. Und nimmt dir hinterher noch einen Augenblick, um hinein zu spüren, was der Text oder das Abschreiben in dir ausgelöst hat.

Slow Writing braucht ein wenig Ruhe – und einen (Zeit-)Raum, den wir uns dafür nehmen. Gib dir selbst die Erlaubnis zur Muße. Du darfst dir deine Zeit zum Schreiben nehmen, du darfst es genießen und du darfst schreiben, wie und worüber du willst. Gleichzeitig bringt das langsame und genießende Schreiben auch zur Ruhe und kann eine wunderbare Möglichkeit sein, uns im Alltag zu entschleunigen. Vielleicht ist ja im Sommer dafür eine gute Zeit für dich?

Viel Freude beim Genuss-Schreiben wünscht dir

Sigrid

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