Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin
Newsletter vom 12.09.2018

Schreiben mit allen Sinnen – Mittwochs: Spürschreiben

Liebe Sprachfreundin, lieber Sprachfreund,

wie fühlt sich ein Schloss an? Im Shop des Neuen Palais von Sanssouci geht das über ein Spür-Pult. Dort lassen sich die Stoffe er-spüren, aus denen ein Schloss gemacht ist, zum Beispiel Seidenstoffe oder Marmor.

Mit dem Fühlen und Spüren sind wir beim dritten Teil der “Schreiben-mit-allen-Sinnen”-Reihe angekommen.

Das Besondere hier: Es ist der Tastsinn gemeint, Finger, Füße, Ohren, Nase, alles kann spüren … und die inneren Ge-Fühle kommen auch hinzu.

3 Annäherungen ans Schreiben mit dem Spür-Sinn:

1) Augen zu und losgespürt!

Was lässt sich überhaupt alles spüren? Das geht im visuellen Alltag manchmal etwas unter. Also Augen zu und losgespürt!

Was spüren deine Finger gerade und wo sitzt du drauf? Wie fühlt sich deine Kleidung an?

Achte darauf, in welchen unterschiedlichen Kategorien du dein Fühlen erleben kannst. Zum Beispiel, ob ein Stoff sich rau oder weich anfühlt. Ob eine Form rund oder eckig ist. Oder wie intensiv sich eine Berührung anfühlt, eher kräftig oder zart.

Diese Übung kannst du einfach auch zur Erholung zwischendurch machen. Und wenn du magst, schreibst du anschließend dazu.

2) Schnipsel mal wieder.

Die Schriftstellerin Herta Müller ist nicht nur für ihre Romane und Erzählungen bekannt , sondern auch für eine Technik, mit der sie arbeitet: die Wortschnipsel.

Schnipseln ist ein haptischer Prozess. Ein Zerlegen und Zusammensetzen. Zeitungen lassen sich schnipseln, Bilder und Worte, aber auch Gedichte lassen sich so neu zusammenfügen. Oder eigene Texte im Entstehen.

Dieser Prozess des Auseinandernehmens und Zusammenfügens kann zu ganz erstaunlichen neuen Textdramaturgien führen.

Schnipsele doch auch mal wieder – in Magazinen oder Zeitungen oder auch in eigenen Texten, die du ausdruckst und neu zusammensetzt. Gern auch im ganz großen Format – das verstärkt den Spiel-Effekt.

3) Die Rolle wechseln

Bei diesem Schreibimpuls lässt sich diskutieren, ob das nun eine Seh- oder eine Spür-Übung ist. Ich denke: Sie ist beides. Beim Sehen würde ich sie einen Perspektiv-Wechsel nennen, beim Spüren geht es mir um das Sich-Hineinversetzen in eine andere Rolle.

Gern gebe ich diesen Schreibimpuls zum Beispiel in Märchen-Schreibwerkstätten hinein, wo uns das „Personal” schon ziemlich gut vertraut ist. So lässt sich in einem bekanntem Märchen auch mal die Rolle des Froschs, der Kugel oder des Brunnens einnehmen und von dort aus schreiben.

Du kannst diese Übung aber auch für Rollenwechsel jeder Art benutzen. Also zum Beispiel, wenn du im Museum bist und dich in eins der Exponate “hineinfühlst” und die Welt beschreibst, wie sie sich von dort aus anfühlt.

Soweit zum Spürschreiben. Im nächsten Newsletter – im Oktober – wird es ums Schreiben zum Riechen gehen. Donnerstags: Immer der Nase nach.

Herzliche Grüße

Sigrid

Newsletter

Du möchtest über News und Termine auf dem Laufenden bleiben? Dann melde dich gern zu meinem Newsletter an. 
crossmenu