Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin
Newsletter vom 01.04.2022

Brücken bauen: vom Erzählen und Schreiben

Liebe Sprachlustige,

kennst du mich (oder meinen Newsletter) schon länger? Dann weißt du, dass ich eine Brückenbauerin bin. Ich bringe gern unterschiedliche Bereiche zusammen, erforsche Gemeinsamkeiten und Unterschiede und überlege, was sich aus einer Kombination „herausholen“ lässt.

Da ich mich gerade viel mit dem mündlichen Erzählen beschäftige, habe ich auch hier eine Quelle der Inspiration fürs Schreiben gefunden. Und daraus teile ich in diesem Newsletter ein paar Schätze.

Bitte abschauen! Was das Schreiben vom mündlichen Erzählen „lernen“ kann: 

  1. Der erste Satz

    Es war einmal oder es war kein Mal …“, „In einer Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat …“ Mit solchen Formeln öffnen uns Erzählerinnen und Erzähler die Türen in andere Welten. Und: Über den ersten (Halb-)Satz ihres Erzählens brauchen sie sich keinen Kopf zu machen.

    Hinter solch einem Einstieg steckt etwas, das auch Schreibende nutzen können. Denn über einen „fertigen“ halben oder ganzen Satz lässt es sich auch ins Schreiben leichter hineinkommen. Das muss keine Märchenformel sein. Dein erster Satz kann zum Beispiel aus einer anderen Geschichte stammen. Halte deshalb immer mal wieder nach Sätzen Ausschau, die du als Einstieg interessant findest, und lege eine Sammlung davon an.

    Das Besondere am Schreiben (im Unterschied zum mündlichen Erzählen): Den „Fertig-Satz“  kannst du hinterher auch wieder herausnehmen – für den Fall, dass deine Geschichte ihn gar nicht braucht. Dann war er einfach nur ein Helfer, um ins Schreiben zu kommen.
  2. Schwelgen!

    Er ritt. Und ritt. Und ritt.“ Siehst du den Reiter und das Pferd und den weiten Weg vor dir? Siehst du die Erzählerin, wie sie die Sätze in den Raum wirft und die Wiederholungen auskostet? Kein Wort ist zu viel, obwohl es doch drei Mal (fast) dasselbe ist.

    Das mündliche Erzählen möchte uns zum Schwelgen ermutigen, zum Betonen. Beim Schreiben dagegen achten wir oft schon beim ersten Entwurf darauf, dass sich da bloß nichts wiederholt oder ein Wort zu viel ist. Auch hier gilt: Du kannst nachher immer noch prüfen, ob du alles brauchst. Aber zumindest für den ersten Entwurf eines Textes lohnt es, auch mal dicker aufzutragen und die Sprache laufen zu lassen. Abhobeln lässt sich immer noch.
  1. Wie klingt es? 

    Da saß sie nun allein.“ Oder so: „Da saß sie nun, ganz allein.“ Vom Klang, vom Rhythmus her mag ich die zweite Variante lieber.

    Sätze können klingen. Und das mündliche Erzählen zeigt uns das besonders.

    Hole den Klang auch in dein Schreiben. Sprich deine Sätze in verschiedene Varianten oder lass sie in deinem inneren Ohr klingen. Auch hier hat das Schreiben seine Qualitäten: Du kannst einen Satz in vielen Versionen drehen, wenden und anhören, bevor du dich entscheidest, welche die beste für deine Geschichte ist. Dabei lässt sich unter anderem erfahren, wie wichtig Satzzeichen (auch das Komma!) für den Rhythmus unserer Texte sind.

Inspiriert? Und ist dir beim Lesen vielleicht aufgegangen, dass du noch nie groß darüber nachgedacht hast, wie du eigentlich mündlich erzählst? Es lohnt sich!

Ich wünsche dir eine gute Zeit bei dem, was dir wichtig ist.

Herzliche Grüße von Sigrid

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