Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin

Wer wäre ich ohne diese Bücher?

Die Frage kennst du bestimmt: Welches Buch nehmen Sie auf eine einsame Insel mit? Ich stelle die Frage anders: Welche 10 Bücher deines Lebens würdest du auf ein Regalbrett stellen, wenn nicht mehr Platz in deiner Wohnung wäre?

Vielleicht sind auch die ganz frühen dabei? „Unendliche Geschichten“ nennt sie ein Artikel in der ZEIT vom 21. März 2019. Prominente erzählen darin, welche Bücher sie als Kind geprägt haben. Iris Berben ist mit dem „Struwwelpeter“ dabei und Inga Humpe mit „Die Himmelswerkstatt“. Der Jazz-Pianist Michael Wollny bringt „Die unendliche Geschichte“ dazu und der Fußballexperte Reiner Calmund „11 Freunde müsst ihr sein“.  

Noch mehr als die Titel spricht mich in den Beiträgen allerdings das an, was die Erwachsenen von heute als Thema für das Kind von damals sehen: die Sehnsucht nach Geborgenheit zum Beispiel oder den Mut zum Anderssein. Und dass auch der „Struwwelpeter“ ein Lieblingsbuch der eigenen Kindheit sein kann – wenn mit ihm die Erinnerung an die ganz besondere Situation des Vorlesens verbunden ist, die Geborgenheit vermittelt.

Das imaginäre 10-Buch-Bord

Auch auf dem Bücherbord in meinem Kopf sind sie dabei – die Kindheits- und Jugendbücher. Da steht eins von den Gulla-Büchern der schwedischen Autorin Martha Sandwall-Bergström. Sie spielen im 19. Jahrhundert und sind von einem tiefen Moralverständnis durchdrungen, das mir so in meiner Kindheit natürlich gar nicht bewusst war.  Daneben „Stein und Flöte“ von Hans Bemmann, ein Märchenroman, das mich mit seiner Mischung aus Sehnsucht und Traurigkeit bis über meine Jugend hinaus begleitet hat.

Aber auch Margaret Atwood steht da neben Hermann Hesse und Alice Walker neben Doris Lessing. Ein roter Faden? Hmm. Auf den ersten Blick wirkt die Mischung etwas wild. Doch beim genaueren Hinsehen sind da durchaus Gemeinsamkeiten, die sich näher erforschen lassen. Zum Beispiel die großen Veränderungen, denen die Heldinnen meiner Lieblingsbücher in ihrem Leben begegnen und dass sie sich davon ganz schön durchrütteln lassen. Und dass mein Blick auf die Welt und das, was ich in ihr für möglich und machbar hielt, sich durch diese Bücher verändert hat.

Wie also sieht dein 10-Buch-Bord aus? Du kannst es dir vor deinem inneren Auge vorstellen oder auch deine Bücherschränke durchforsten und es in Wirklichkeit entstehen lassen. Und wenn du ein Kindheitsbuch nicht mehr hast, das dir besonders wichtig war – vielleicht besorgst du es dir einfach wieder?

Die Geschichten dahinter

In den Büchern meines Lebens bin ich auf ferne Kontinente und Inseln gereist, habe vergangene und zukünftige Welten entdeckt, mit Figuren gefiebert, mich gefreut und gelitten. Aber nicht nur die Geschichten selbst können ein Buch besonders wertvoll für uns machen, sondern auch, wer es uns geschenkt oder empfohlen hat. Oder die Situation, in der es zu uns gekommen ist. Oder dass wir selbst es als Geschenk für jemand anderes ausgewählt haben. Auch dazu lässt sich forschen – und schreiben.

Leg dir zum Beispiel eine Liste an oder zeichne einen Lebensfluss auf ein Blatt. Dann trägst du als „Stationen“ die Bücher ein, die du im Laufe Ihres Lebens geschenkt bekommen oder verschenkt hast. Was hat das Buch dir bedeutet? Und ist aus diesem Geschenk vielleicht wiederum eine neue Geschichte entstanden? 

Schreibtipp „Buch-Schätze“: Welche
Erinnerungen verknüpfst du mit
Büchern deines Lebens?  

Wenn du dich nicht gleich erinnerst, lass deine Liste oder dein Bild ruhig ein paar Tage liegen. Denn eine Erinnerung führt manchmal zur nächsten. Und wer weiß, ob du auf diesem Weg nicht auch noch den einen oder anderen längst vergessen geglaubten Buch-Schatz in dir entdeckst.

Mehr lesen:

„Unendliche Geschichten“ aus der ZEIT vom 21. März 2019. Prominente erzählen, was sie aus ihren Kinderbüchern mitgenommen haben: https://www.zeit.de/2019/13/kinderbuecher-prominente-kindheit-erinnerungen

Auch was hören:

„Das Buch meines Lebens“: Die Schriftstellerin Katja Oskamp im Podcast von Deutschlandfunk Kultur darüber, wie „Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ zum ersten und zum zweiten Mal zu ihr kam: https://www.deutschlandfunkkultur.de/das-buch-meines-lebens-milan-kundera-die-unertraegliche.1270.de.html?dram:article_id=443501

Neueste Beiträge

Newsletter

Du möchtest über News und Termine auf dem Laufenden bleiben? Dann melde dich gern zu meinem Newsletter an. 
crossmenu