Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin
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Lieblingsbücher 2020

Ich lese viel. Wenn ich auf ein Jahr zurückblicke, ragen nicht nur Ereignisse und Erlebnisse heraus, sondern auch Bücher, die mich in einer besonderen Art berührt haben und Autoren und Autorinnen, die ich neu für mich entdeckt habe. Diese 7 waren es 2020:

1. “American Gods” von Neil Gaiman

Ein Wälzer. Schon als ich das Buch zuerst gehört habe (anschließend habe ich es mir auch zum Lesen gekauft), war das zu merken: 25 Stunden Hörzeit! Viele kennen Neil Gaiman schon als Fantasyautor, ich habe ihn letztes Jahr erst entdeckt und das über den Titel 2 dieser Liste. Aber dann war ich neugierig auf sein opulentestes Werk: die Geschichte der nach Amerika eingewanderten alten Götter und ihres Kampfes um Beachtung in einer Welt, in der sie kaum noch jemand kennt. Ich war beeindruckt von der Geschichte selbst, die ich sehr spannend erzählt finde, aber auch von dem unglaublich breiten Wissen Neil Gaimans über die Welt der Göttinen und Götter, ihrer Motive, Begierden und Verstrickungen.

2. “Der Ozean am Ende der Straße” von Neil Gaiman

Eines der neueren Bücher von Neil Gaiman und auch das erste, auf das ich von ihm gestoßen bin. In einer Ankündigung, die ich darüber gelesen hatte, hieß es, das wäre sein autobiografischstes Buch. Was ich beim Lesen erstaunlich fand, denn klang das nicht doch eher wie ein Märchen oder Fantasy? Und genau das begeistert mich an Neil Gaiman: Dass er über diesen winzigen Schritt zwischen dem Möglichen und dem (Un-)möglichen schreiben kann, als gäbe es ihn gar nicht und als wären wir in den Erinnerungen an unsere Kindheit in einer wie der anderen Welt zu Hause.

3. “Da sind wir” von Graham Swift

Kennst du dieses Glücksgefühl? Da entdecke ich eine Autorin oder einen Autor neu und mutmaße, dass damit noch eine ganze Reihe schon geschriebener Bücher mich beglücken wird.

So ging es mir mit Neil Gaiman und so ging es mir 2020 auch mit Graham Swift. Mein “erstes” Buch von ihm war “Da sind wir”, die Geschichte eines Jungen, der in den 1940er Jahren in England Zauberer wird. Die Geschichte ist in Rückblenden erzählt und baut eine ungeheure Spannung um einen einzigen Moment herum auf, in dem der Zauberer sich selbst wegzaubert. Diese Konzentration auf einen Moment, dieses kunstvolle Hin- und Herwogen und im Sinne der Handlung immer ein wenig Weiterschwappen habe ich auch in “meinem” nächsten Roman dieses Autors wieder gefunden – und sie hat mich wieder begeistert:

4. “Ein Festtag” von Graham Swift

Auch wieder ein ganzes Leben erzählt in einem Moment. Auch wieder ein Roman wie eine Welle, die vor und zurückschwappt und uns immer ein bisschen weiterbringt. Dies ist die Geschichte von Jane, einem Dienstmädchen, das sich an einem Sommertag im Jahr 1924 mit Paul, ihrem Geliebten und Sohn einer wohlhabenden Familie, trifft. Nach dieser letzten Begegnung soll er heiraten – eine andere. Aber ob es dazu kommt, darum geht es im ganzen Roman – und ich habe jeden Lesemoment genossen.

5. “Die verschwindende Hälfte” von Brit Bennett

Dieses Buch habe ich zunächst über das Kulturradio des RBB kennengelernt und mir ein paar Folgen vorlesen lassen, bis ich dann so neugierig gemacht war, dass ich das ganze Buch lesen wollte. Ein sehr aktueller Roman darüber, wer eigentlich entscheidet, was und wer wir sind.

“Die verschwindende Hälfte” spielt in Maillard, einem kleinen Ort in Louisana, in dem die Bewohnerinnen und Bewohner seit Generationen alles daran geben, immer hellhäutiger zu werden. Bis eine von ihnen, eine von zwei Zwillingsschwestern, beschließt, ganz auf die andere Seite zu wechseln und das Leben einer Weißen zu führen.

6. “Alles richtig gemacht” von Gregor Sander

Manchmal passiert das Eintauchen in die anderen Welten weit weg – örtlich und zeitlich. Und manchmal kann das auch relativ nah funktionieren – und ist trotzdem der Sprung in ganz andere Erfahrungen hinein. Gregor Sanders Roman “Alles richtig gemacht” spielt in der Nachwendezeit im Wedding, der mir vertraut ist und in der Vorwendezeit in Rostock und Heiligendamm, das ich damals nicht erlebt habe. Und gerade dieses Nahe und zugleich Ferne hat mich bei dem Roman angesprochen. Es ist die Geschichte von Jugendlichen, die in der Wendezeit in die Welt aufbrechen und die Geschichte eines Familienvaters, der sich dreißig Jahre später fragt, ob er alles richtig gemacht hat.

7. “Herzfaden. Roman der Augsburger Puppenkiste” von Thomas Hettche

Wir kommen zu den Märchen zurück – und bleiben beim Biografischen. Thomas Hettche kannte ich schon als Autor des Romans “Pfaueninsel”, der im 19. Jahrhundert auf der kleinen Insel in der Havel spielt. Und weil mich schon bei diesem Roman sehr angesprochen hat, wie sich Thomas Hettche für einen ganz besonderen Ort und seine Geschichte begeistern konnte, habe ich mich auch auf den Roman der Augsburger Puppenkiste gefreut.

Ein wenig hat mich der auch typografische Wechsel zwischen der Erzählung im Jetzt und der Erzählung in den 1930iger bis 1950iger Jahren an die beiden Perspektiven in der Unendlichen Geschichte von Michael Ende erinnert. Und das ist bestimmt kein Zufall. Schließlich wird auch von der Begegnung zwischen “Hatü”, Mitgründerin der Puppenkiste, und Michael Ende erzählt als dem Schöpfer von Jim Knopf, Lukas, Prinzessin Li und vielen anderen Figuren, mit denen die Augsburger Puppenkiste bekannt geworden ist. Ein sehr berührendes Buch, das ich gleich zwei Mal hintereinander gelesen habe. Und das ist bei mir ein gutes Zeichen dafür, dass es in die engere Auswahl für meine Bestenliste kommt.

Es gibt viele Gründe, Bücher zu Lieblingsbüchern zu erklären. Und du hast vielleicht noch ganz andere als ich. Das Lesejahr 2021 jedenfalls hat längst angefangen und ich bin sehr gespannt, was und wer es in diesem Jahr in meine Auslese “schaffen” wird.

Meine 7 im letzten Jahr noch einmal auf einen Blick:

  1. American Gods, Neil Gaiman
  2. Der Ozean am Ende der Straße, Neil Gaiman
  3. Da sind wir, Graham Swift
  4. Ein Festtag, Graham Swift
  5. Die verschwindende Hälfte, Brit Bennett
  6. Alles richtig gemacht, Gregor Sander
  7. Herzfaden. Roman der Augsburger Puppenkiste, Thomas Hettche

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