Vor etlichen Jahren nahm ich an einer Fortbildung in Poesie- und Bibliotherapie teil. Beim ersten Termin war eine der anderen Teilnehmerinnen ganz enttäuscht. Sie hatte damit gerechnet, dass es bei Bibliotherapie ums Arbeiten mit der Bibel geht. Dieses Missverständnis kommt gar nicht so selten vor und es ist auch nicht abwegig. Nur dass es bei Bibliotherapie eben nicht speziell ums Arbeiten mit dem "Buch der Bücher" geht, sondern ums Arbeiten mit dem Lesen an sich. Beiden Sichtweisen liegt als gemeinsamer Ursprung das griechische Wort "biblion" für Buch oder Schrift zugrunde.
Poesie- oder Bibliotherapie - wer macht was?
Die Abgrenzung von Poesie- und Bibliotherapie ist tatsächlich ein bisschen tricky, weil die beiden Begriffe unterschiedlich definiert werden. Im deutschsprachigen Raum wird unterschieden in Poesietherapie, also den therapeutischen Einsatz des Schreibens, und Bibliotherapie als der Arbeit mit dem Lesen, z.B. von Gedichten, Geschichten und Romanen. Im angloamerikanischen Raum wird zum Teil auch in "Poetrytherapy" und "Bibliotherapy" unterschieden, zum anderen Teil aber auch beides zusammengefasst unter "Poetrytherapy". Hier bietet die Onlineseite der National Association of Poetrytherapy einen guten Überblick über die Breite der Berufsgruppen, die potenziell mit den Mitteln der "Poetrytherapy" arbeiten: von Medizinern über Lehrende bis zu Singer-Songer-Writern.
Lesen hilft.
"Heilstätte der Seele" hieß die Bibliothek von Alexandria im alten Ägypten auch. Das zeigt schon, dass Bibliotherapie nicht neu ist. Der Einsatz von Bibliotherapie reicht sehr weit. Von der Arbeit mit Krebspatienten oder in der Behandlung von Depressionen über Workshops in Bibliotheken bis zum "Hausgebrauch". Denn dass ein Roman, Gedichtband oder Kinderbuch ein Freund und Helfer in der Not sein kann, das kennen viele. Einen guten sowohl inspirierenden als auch - bis zur Organisation von Workshops - praktischen Einblick bietet das Buch "Bibliotherapy - the interactive process" von Arleen Mc Carty Hynes und ihrer Tochter Mary Hynes-Berry von 1986, das leider nur noch antiquarisch erhältlich ist.
Lesetipp: Bibliotherapy -
the interactive process,
Arleen McCarty Hynes
Ihr Lese-Weg
Welche Bücher sind es, die Sie geprägt haben? Welche Autorinnen und Autoren sind und waren Ihnen wichtig? Was für Geschichten haben Sie als Kind geliebt - und vielleicht schon fast vergessen? Zeichnen Sie doch einfach einmal Ihre Lese-Biografie. Malen Sie auf einem DIN A3-Blatt einen langen Fluss quer über die Seite, der für Ihr Leben steht. Und dann tragen Sie für einzelne Phasen oder auch bestimmte Ereignisse die Bücher ein, die Ihnen zu diesem Zeitpunkt wichtig waren. Vielleich arbeiten Sie dabei auch mit einer Collage, fügen Notizen, Visualisierungen und Fotos dazu. Lassen Sie Ihren Lese-Weg ruhig richtig schön werden. Und lassen Sie sich davon zum Schreiben inspirieren. Zum Beispiel auch mit einem Perspektivwechsel, in dem Sie in das eine oder andere Buch hineinschlüpfen und aus seiner Perspektive schreiben, was es Ihnen zu sagen hat.
Schreibtipp:
Zeichnen Sie Ihren Leseweg -
und schreiben dazu.
Mehr erfahren über die "Deutsche Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie": https://dgpb.org/
Ein Beitrag von Andrea Gerk zu ihrem Buch "Lesen kann heilen" im Deutschlandfunk: Lesen kann heilen, Andrea Gerk