Sigrid Varduhn
Autorin | Schreibcoach | Erzählerin

Wo ist Chester? Zeitreisen im eigenen Leben

Ein Literaturwettbewerb im letzten Herbst, Aufgabe war es, einen „Brief an sein jugendliches Ich“ zu schreiben. Also, was schreibe ich meiner 13-jährigen? Dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, ob ich nach diesen großen Ferien endlich groß herauskomme in der Schule und dazugehöre zu den Angesagten? Oder dass die, die ich damals so cool fand, sich im Nachhinein als gar nicht so interessant (oder zumindest nicht dauerhaft) herausgestellt haben?

Dieser Perspektivwechsel erinnert mich an einen Film, der einiges in mir ausgelöst hat. In „The Kid” mit Bruce Willis trifft ein Mann, knapp 40, auf sein 8-jähriges Ich. Der Junge hält dem Erwachsenen einen Spiegel dazu vor, was in ihrem Leben alles anders gelaufen ist, als es sich der Junge erhofft hat. Der Höhepunkt für mich: Der 8-jährige betritt das Haus seines erwachsenen Ich und ruft nach Chester, dem Hund. Keine Reaktion. Fassungslosigkeit auf dem Gesicht des Jungen. „Moment mal: ich bin 40, nicht verheiratet, und habe noch nicht mal einen Hund?“  Ab diesem Moment beginnt der Mann, sich langsam daran zu erinnern, dass er als Junge Träume hatte. Und dass die anders aussahen als sein derzeitiges Leben.

Filmtipp: “The Kid” mit Bruce Willis

War es so oder so? Schreiben bedeutet Entscheidungen.

Du willst gar keinen Hund und verheiratet bist du schon? Dann werden es bei dir andere Themen sein. In bestimmten Momenten zurückzuschauen auf sich selbst in einem anderen Alter, kann den Fokus auf das lenken, was uns im Leben wirklich wichtig ist. Was haben wir uns gewünscht und doch noch nicht in unser Leben gelassen? Aber auch: Wo leben wir unsere Träume schon – auch in kleinen Momenten – und wie stärkt uns das im Alltag? Darüber lässt sich nachdenken. Oder reden. Oder schreiben. Wer sich fürs Schreiben entscheidet, erlebt diesen inneren Dialog oft ganz besonders intensiv. Wenn wir unseren Empfindungen in Sprache übersetzen, heißt das auch: Es sind Entscheidungen zu treffen.  Passt es so oder so, welche Aussage, welche Form ist die richtige? Das alles klärt und präzisiert unseren Blick auf das, was wir erzählen.

Zeitsprünge schaffen neue Perspektiven 

Bei dem Brief ans jugendliche Ich geht es um unseren Blick zurück, um den Rat an unseren Jugendlichen, der wir einmal waren. In „The Kid“ ist es andersherum: Das Kind wendet sich an den Erwachsenen. Auch dazu lässt sich schreiben. Was war dir wichtig in einer Phase im Leben, als du noch gedacht hast, alles ist möglich?

Oder du schreibst vom Heute in die Zukunft. Wie stellst du dir dein Leben später vor? Was möchten du, dass deine innere Großmutter oder dein innerer Großvater von deinem heutigen Leben und deinen Wünschen weiß? Oder noch einmal gedreht: Was hat dein Ich in 25 Jahren dir heute zu sagen oder zu raten?

Schreibzeitreisen:
in die Kindheit,
aus der Jugend ins Heute
oder in die Zukunft.

Auf jeden Fall wichtig: Solche „inneren Schreib-Gespräche“ können einiges anrühren und in Gang bringen. Nimm dir deshalb Zeit dafür und Wohlwollen den Ichs gegenüber, denen du auf deinen Schreibzeitreisen begegnest.

Und übrigens: Bei mir hat „The Kid“ vor 10 Jahren dazu geführt, dass tatsächlich endlich ein Hund in mein Leben gekommen ist.

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